Hier ist der Text unserer Fraktionsvorsitzenden Gabi Rohr, vorgetragen in der Stadtratssitzung vom 19.03.2024.
Offenlegung Greenfield
Alle bisherigen Gegner des neuen Logistikparks in Emmelsum wurden am Dienstag in der gemeinsamen Sitzung von 3 Ausschüssen dazu aufgefordert, ihren Blick neu zu „justieren“, dann würden sie schnell feststellen, dass hier gute Kompromisse gefunden wurden. Darauf möchte ich antworten, dass mir diese „Kompromisse“ aber immer noch nicht die Sinnhaftigkeit eines zusätzlichen Logistikparks mit vielen unbekannten Komponenten – wie: Wer sind die zukünftigen Mieter der Hallen? Was wird dort in den Hallen stattfinden? Wohin fließt die Gewerbesteuer? Wird ein Transport über die Schiene genutzt? – deutlich machen. Für uns ist z.B. die „Trimodale Verkehrsanbindung“, mit der DeltaPort wirbt, zurzeit noch nicht zu erkennen. Im Moment ist ja davon auszugehen, dass alle Transporte über LKW laufen werden – im 24-Stunden Service!
Auch wir sehen, dass Greenfield seine ursprünglichen Pläne verändert hat, aber dadurch verändert sich ja nicht, dass wir zusätzliche Logistikhallen bekommen, die Lärm erzeugen, zur Erwärmung der Umgebung beitragen, Flächen versiegeln, zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen führen und den Lebensraum für Mensch und Tiere deutlich verändern.
Wenn wir weiterhin immer nur auf die einzelnen Bauvorhaben schauen und versuchen, hier die Eingriffe in die Natur nicht zu groß werden zu lassen, dann sieht das erst mal gar nicht so schlimm aus. Schaut man aber mal an, was bereits insgesamt im Lippemündungsraum an Bebauung stattgefunden hat und auch noch stattfinden wird, dann wird deutlich, dass die vielen kleineren Eingriffe, die man zugelassen hat, zu sehr großen, komplexen Veränderungen geführt hat und auch weiterhin führen wird.
Leider sieht man ja erst am Ende, wenn alle Bauvorhaben umgesetzt sind, was wir dort zugelassen haben! Nicht nur wir in Voerde, sondern auch die Nachbarkommune in Wesel.
Es muss dringend kommunenübergreifend beraten werden, wie wir im Lippemündungsraum größere Umweltschäden vermeiden wollen und können.
Wir haben schon zu lange gebraucht, um zu erkennen, welche Probleme uns in den letzten Jahrzehnten entstanden sind. Jetzt wird es höchste Zeit, sich ganz konkret Gedanken zu machen, was wir tun können, um die Natur, die wir noch haben, durch konkrete und durchdachte Konzepte möglichst gut zu erhalten.
Die Gegner des Projektes Greenfield und auch wir hinterfragen nicht nur das Verkehrsgutachten, das ja nur deshalb im Ausschuss eine erhöhte Aufmerksamkeit bekommen hat, weil sich hier einige Autofahrer an die täglichen Stausituationen durch eigenes Erleben erinnern können, sondern auch das Gutachten über die Eingriffe in die Natur und Umwelt.
Hier war das Interesse weniger groß. Obwohl wir doch gerade in Zeiten von Klimawandel und aussterbenden Tierarten besonders aufmerksam sein sollten. Schon jetzt werden die Lebensräume im Hafengebiet Emmelsum durch jede dort stattfindende Bauaktivität stark eingeschränkt. Die dort heimischen Tiere sind immer wieder gezwungen, sich umzusiedeln und neue Lebensräume zu finden – bis ihnen auch hier wieder neue Bauprojekte drohen.
Es fehlt uns hier der Gedanke, wie die Tiere im Ganzen mit allen Veränderungen in ihrem Umfeld umgehen. Wie reagieren sie z.B. auf den zunehmenden Lärm? Die vielen Fahrzeuge? Die Gebäude, die in den Luftraum ragen und bei Hitze noch zusätzlich Wärme abstrahlen? Davon haben wir bisher in den Gutachten nichts gefunden.
Es muss großräumig gedacht werden, mit all dem Wissen, was in den letzten Jahren wiederholt durch Wissenschaftler angemahnt wird. Gerade die neuesten Meldungen, die durch die Medien gingen, berichten davon, dass sich gerade Europa zunehmend erwärmt. Die Durchschnittstemperaturen steigen kontinuierlich an.
Die EU-Kommission hat letzte Woche ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet. Der Grund ist mangelnder Vogelschutz. Nach Auffassung der Europäischen Kommission unternimmt Deutschland zu wenig für den Schutz der Vögel und ihre Lebensräume. Es wird eine nicht hinreichende Umsetzung der EU-Vogelschutzrichtlinien beklagt. Im Einzelnen habe Deutschland unter anderem das Schutzgebiet „Unterer Niederrhein“ nicht ausreichend geschützt. Dort sei die Zahl der geschützten Vogelarten erheblich zurückgegangen.
- das sind wir hier, liebe Anwesende! – die unter anderem neue Baugebiete ausweisen und Gewerbeflächen entwickeln und vermarkten.
Die Bundesregierung hat 2 Monate Zeit, um auf die Beanstandungen zu reagieren. Sollten die Begründungen in Brüssel nicht glaubhaft erscheinen, haben wir mit einer Klage zu rechnen. Das zeigt uns doch deutlich, dass akuter Handlungsbedarf besteht.
Schauen wir mal über Voerde hinaus, dann sehen wir, dass z. B. die Emscher für sehr viel Geld renaturiert wird, um so die vielen alten Umweltsünden möglichst wieder zurückzunehmen und vielfältige Lebensräume für Pflanzen und Tiere zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist es doch angebracht, frühzeitig darauf zu achten, welche Eingriffe in die Natur wirklich unbedingt nötig sind. Die Erbauung von immer mehr Logistikhallen gehört für uns nicht dazu.
Der Tagesspruch der NRZ vom letzten Samstag lautete: „Der heutige Mensch ist der Natur gefährlicher geworden, als sie ihm jemals war.“ Das bringt es doch auf den Punkt!
Wir sehen uns auch in der Verantwortung für nachkommende Generationen. Finanzielle Vorteile, die ja noch nicht einmal sicher sind, können das unserer Meinung nach nicht auffangen. Brauchen wir unbedingt diese großen Hallen und Parkplätze, die die Umgebung noch zusätzlich aufheizen? Benötigen wir noch mehr Verkehr auf unseren Straßen, die dafür sorgen, dass wir unsere bestellten Waren möglichst schon am Folgetag bekommen?
Wir sollten im Jahr 2024 den Mut haben, früher getroffene Entscheidungen zu überdenken und Erkenntnisse, Ideen und Überlegungen einfließen zu lassen, die bisher unberücksichtigt blieben.
Bei dem Verkehrsgutachten konnten sich nicht alle Ausschussmitglieder vorstellen, dass bei zunehmendem Verkehrsaufkommen durch eine geänderte Ampelschaltung keine Probleme mehr an den genannten Kreuzungen entstehen. Man kann ja nach dem Gutachten davon ausgehen, dass es trotz 30% erhöhtem Verkehrsaufkommen zu besseren Verkehrsbedingungen kommen wird als vorher. Wie das möglich sein soll, erschließt sich uns nicht wirklich!
Unser Ausschussmitglied hatte darauf hingewiesen, dass die Verkehrszählung, die am 17.02.23 stattgefunden hat, nicht berücksichtigt, dass es ab dem 01.04.23 nicht mehr erlaubt ist, dass Gefahrguttransporter von der Emmelsumerstr. nach links in die Frankfurterstr. einbiegen dürfen. Das führt ja dazu, dass die Fahrzeuge jetzt erst mal weiter geradeaus fahren, um dann links abzubiegen. An dieser Kreuzung erhöht sich ja dann das Verkehrsaufkommen deutlich.
Wenn die Berechnungsgrundlage der Verkehrssimulation die Zählung vom 17.02.23 ist, dann berücksichtigt sie nicht die veränderte Verkehrsführung.
Uns fehlen auch genauere Aussagen zum Radverkehr, der in einem Verkehrsgutachten entsprechende Beachtung finden sollte. Ich gehe davon aus, dass wir alle hier es begrüßen würden, wenn mehr Menschen vom Auto aufs Rad umsteigen. Mit der saloppen Aussage: „Die Radfahrer haben wir jetzt nicht auch noch eingezeichnet, aber wir haben sie mit eingerechnet“ können wir uns nicht zufriedengeben, zumal in der Simulation deutlich zu erkennen war, wie „störungsfrei“ die Autos abbiegen konnten – da war kein Anhalten zu erkennen, um Radfahrer passieren zu lassen.
Wir haben auch nichts zum Thema „Feinstaubbelastung“ gehört. Derzeit sind 25 Mikrogramm im Jahresmittel erlaubt, es gibt Überlegungen, diesen Wert auf 10 zu senken und die WHO empfiehlt einen Wert von 5 Mikrogramm. Wie sieht es da bei zunehmendem Verkehr aus? Mit welchen Werten müssen wir rechnen?
Wir können uns ebenfalls nicht vorstellen, dass es durch eine etwas kleinere Halle, neu aufgehängte Nistkästen, ein paar Neuanpflanzungen und einem willkürlich angelegten Wildwechsel entlang der neugebauten Halle, nur zu kleinen oder gar keinen Umweltschäden kommt oder sich sogar der Lebensraum dort noch verbessert! Was ist mit dem Mikroklima? Das wird sich ja deutlich verändern. Wie sieht es mit dem Bestand der Insekten aus, von denen wir schon jetzt zu wenig haben? Sie werden nicht nur als Nahrungsquelle für die Vögel benötigt, sondern auch als Bestäuber, für die biologische Vielfalt und die Nahrungssicherheit.
Biodiversität ist nicht gleichwertig auf einer kleineren Fläche zu ersetzen.
Das ist hier unsere Stadt und unser Lebensraum. Wir sollten nicht weiter warten, bis immer nur bei einzelnen Projekten die Umweltüberlegungen starten und dann durch einige, engagierte Bürger mit großem Einsatz deutlich gemacht wird, wie groß hier die Eingriffe in die Lebensumwelt sind.
Wir als Politiker sind hier und jetzt in der Verantwortung.
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